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02.05.23 –
Mit den Worten: „Kohle war gestern. Das wissen wir alle. Die Lausitz hat eine Riesenchance eine Energieregion mit Vorbildcharakter zu werden“, begrüßte die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock digital mehr als 100 Gäste on- und offline bei einer hochkarätig besetzten Konferenz zum Thema „Ausbau der Windkraft – Was sind die Auswirkungen für die Lausitz?“ am Dienstag in Finsterwalde. Die Bündnisgrüne Lausitzer Landtagsabgeordnete Ricarda Budke hatte zu einem über vierstündigen Austausch geladen, dem viele Interessenten aus der Kommunalpolitik und den Verwaltungen, wie auch den Kreistagen gefolgt sind. Begrüßt wurden die Gäste in der Sängerstadt durch die stellvertretende Bürgermeisterin Anja Zajic.
Bereits in der Einleitung durch die Bündnisgrünen wurde deutlich: der Ausbau von erneuerbaren Energien ist kein Selbstzweck, sondern er dient dem Klimaschutz, der Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen und nicht zuletzt der Wertschöpfung im ländlichen Raum, worauf der stellvertretende Vorsitzende der Kreisgrünen in Oberspreewald-Lausitz Paul-Philipp Neumann hinwies. Die Grünen in den Landkreisen Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster unterstützten die Tagung, genauso wie die beiden Brandenburger Bundestagsabgeordneten Annalena Baerbock und Michael Kellner.
Die Frage ist nicht ob, sondern wie man den Ausbau der Windkraft hinbekommt. Der Bund hat dazu bereits vielfältige Anstrengungen unternommen, wie der Bundestagsabgeordnete Michael Kellner berichtete. Gerade den ländlichen Raum zu stärken sei ihm ein wichtiges Anliegen. Kellner erläuterte, dass durch die Reformen beim Ausbau der Erneuerbaren Energien auch die Kommunen direkt profitieren können: „Mit der seit dem 1. Januar gültigen Reform des Erneuerbaren Energien Gesetz (EEG 2023) ist es endlich rechtssicher möglich geworden, Kommunen mit bis zu 0,2 Cent pro Kilowattstunde am vor Ort erzeugten Wind- oder Solarstrom zu beteiligen“ erklärte der Bundespolitiker. So könne eine Kommune mit 20.000 bis 30.000 Euro pro Windrad und Jahr über die kommenden 30 Jahre rechnen. Zudem gelte weiterhin das Brandenburger Gesetz, wonach pro neuer Windenergieanlage 10.000 Euro an die Kommunen abgeführt werden müssen. „Das kommt noch on top“, so Kellner.
Der Kommunalpolitiker Andreas Stahlberg wies darauf hin, dass es trotz der Änderung nicht so einfach sei an das Geld zu kommen. Dies gilt insbesondere für Bestandsanlagen. Die Anlagenbetreiber müssen die Zuwendungen an die Gemeinden in der Regel zwar nicht selber tragen, dennoch sehen einige Betreiber in der „Soll“- Bestimmung des EEG keine verbindliche Zahlungsverpflichtung. Konkret wurde es am Beispiel eines Bestandsparks in seiner Gemeinde Schenkendöbern dargestellt. Stahlbergs Recherchen haben ergeben, dass die Eigentümergesellschaft der Anlagen, mit Sitz im Münchner Speckgürtel, über die Investmentgesellschaft einer renommierten deutschen Bank verwaltet wird.
Man habe den Eigner angeschrieben und eine Ablehnung erhalten verknüpft mit der Aussage, dass man keine Verpflichtungen über das EEG sähe und generell nicht beabsichtige, freiwillige Angebote für Bestandsanlagen zu leisten. Ein weiterer Anlagenbetreiber habe erst gar nicht geantwortet. „Die Einnahmen fließen in die bayerische Gewerbesteueroase Grünwald und wir haben bislang nichts davon“ bedauert Stahlberg. Die Krux sei, dass der Bundesgesetzgeber statt eines verpflichtendes „müssen“ nur eine „sollen“ in den § 6 des EEG verwendet habe. Der Bundespolitiker Kellner konnte die Forderung durchaus nachvollziehen, wies aber auf verfassungsrechtliche Bedenken hin, die bei der Erstellung des Gesetzes aufkamen. Grundsätzlich lobte aber Stahlberg die neue Möglichkeit der finanziellen Beteiligung der Kommunen.
Unterstützung erhalten die Kommunen durch die Fachagentur Windenergie an Land. Deren Forschungskoordinator Dirk Sudhaus erläuterte in Finsterwalde, dass seine Agentur einen Mustervertrag anbiete, der zusammen mit Verbänden unter juristischer Expertise erstellt wurde. Gemeinden können auf die Unterlagen und die vielfältigen Erläuterungen kostenfrei zugreifen, so Sudhaus.
Die Steigerung der Akzeptanz beim Ausbau der Windkraft ist auch im Fokus der Wissenschaft. Prof. Dr. Jur. Eike Albrecht an der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) kündigte ein großes Forschungsvorhaben an. Aktuell ist er in Vorbereitung eines Projektantrages der BTU. Unter dem Namen „Lausitzer Kohletransformation – Maßnahmen zur Akzeptanzerhöhung (LaKo-Ma) soll unter anderem ein Katalog erstellt werden für schnell umsetzbare Maßnahmen und Leitfäden für Regionalplanungsverfahren, kommunale Teilflächenplanungs- und Genehmigungsverfahren. Professor Albrecht vom Lehrstuhl Öffentliches Recht an der BTU will mit dem Vorhaben unter anderem Kommunen und Institutionen bei der Beschleunigung planungs- und genehmigungsrechtlicher Prozesse für einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien unterstützen.
Derzeit stehen in der Lausitz (Landkreise LDS, EE, OSL, SPN) 917 Windkraftanlagen mit 2.043 MW Leistung, erklärte Augustin Köllner, Mitglied im Bundesverband WindEnergie e.V., LV Brandenburg. Sein Verband begrüßte auch die finanzielle Beteiligung von Kommunen. Um die Ziele zu erreichen muss die Metropolregion Berlin-Brandenburg den Ausbau der Erneuerbaren Energien mindestens verdreifachen, so Köllner. Besonders kritisierte der Verbandsvertreter die langsamen Genehmigungsprozesse, die für ein Windrad schon mal sieben Jahre dauern können.
Insgesamt befindet sich die Lausitz beim Ausbau der Windkraft auf einem guten Weg, meinte der Leiter der Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald Carsten Maluszczak. Er ist sich recht sicher, dass im Gebiet Flächenziele von 1,8% bis zum Jahr 2027 bzw. 2,2% bis zum Jahr 2032 erreicht werden. Der Leiter der Planungsgemeinschaft nimmt an, dass es zu Repowering in großem Umfang kommen wird, weil viele Windräder in der Lausitz veraltet seien. Aktuell arbeitet die Planungsgemeinschaft an der Erstellung des sachlichen Teilregionalplanes „Windenergienutzung“. Maluszczak kündigte an, dass die Offenlage des Planes und die Bürgerbeteiligung im III. Quartal 2023 beginnen wird.
Kritik an den Ausbauplänen kam vom Naturschutzbund Brandenburg (NABU). „Die gesetzliche Neuregelungen wirken nicht bis zum Ende durchdacht und schaffen Rechtsunsicherheit für alle Beteiligte“, mahnte der NABU-Landesvorsitzende Björn Ellner. Sein Naturschutzverband stehe zwar zu den Ausbauzielen, warnt aber vor einer Schwächung des Artenschutzes. Die angekündigten Artenhilfsprogramme seien noch nicht beschlossen. Der bislang geplante Eigenanteil für Naturschutzverbände bei Projektdurchführung seien für den NABU „inakzeptabel“, so Ellner.
„Natürlich ist der Schutz Umwelt uns auch ein sehr wichtiges Anliegen. Wir begrüßen es absolut, wenn Umweltverbände sich nicht dem Ausbau der Windenergie versperren. Die Diskussion um den Artenschutz muss unbedingt weiter gehen“, resümierte Paul-Philipp Neumann von den OSL-Kreisgrünen.
Die Lausitzer Landtagsabgeordnete Ricarda Budke sieht noch Herausforderungen beim Ausbau der Windkraft aber keine unüberwindbaren Hürden: „Wichtig ist, dass wir alle im Gespräch bleiben und Probleme offen angesprochen werden. Wir Bündnisgrünen sind bereit“.
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Mehr Informationen
Mustervertrag für kommunale Teilhabe nach EEG 2023
Eckpunkte der Windenergie-an-Land-Strategie BMWK
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Präsentationen auf der Veranstaltung
Juristische Einordnung des Ausbaus der Windkraft in der Lausitz
Professor Dr. Eike Albrecht, Experte für Umweltrecht an der BTU Cottbus-Senftenberg
Einordnung des Ausbaus der Windkraft aus Sicht der Planungsgemeinschaft
Carsten Maluszczak, Leiter der Regionale Planungsgemeinschaft Lausitz-Spreewald
Windenergie aus kommunaler Sicht
Andreas Stahlberg, Vorsitzender Umweltausschuss in Kreistag Spree-Neiße und Sachbearbeiter Bauamt in der Gemeinde Schenkendöbern
Einordnung des Ausbaus der Windkraft aus Sicht der Windenergiebranche
Augustin Köllner, Mitglied im Bundesverband WindEnergie e.V., LV Brandenburg
Ausbaus der Windkraft aus Sicht des Naturschutzes
Björn Ellner, Vorstand NABU-Brandenburg: „Herausforderung für den Umwelt- und Naturschutz. Bewertungen der neuen Regelungen auch Sicht von Umweltverbänden“
Wie kann der Ausbau der Windenergie in der Lausitz naturverträglich erfolgen
Dirk Sudhaus, Forschungskoordinator und Vertreter der Geschäftsführerin bei Fachagentur Windenergie an Land e.V.
Begegnungszentrum „Kleeblatt“, Töpferstraße 32, Calau
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